In Deutschland sterben jährlich etwa 10.000 Menschen durch Suizid. Das ist das Dreifache der jährlichen Verkehrstoten. Hinzu kommt eine große Anzahl von Suizidversuchen. Nicht zuletzt gibt es Menschen, die eindeutig zu erkennen geben, sterben zu wollen. Sei es, dass sie schwer erkrankt oder vollständig auf Hilfe angewiesen sind – oder Angst vor Schmerzen haben. Andere wollen ihren Angehörigen nicht zur Last fallen. Manche sind lebenssatt und sagen: „Es ist genug.“ All diese Menschen fragen nach Sterbehilfe.
Vor viereinhalb (!) Jahren, im Februar 2020, hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum assistierten Suizid das Thema neu in den Fokus der breiten Öffentlichkeit gerückt. Jetzt umfasst das Selbstbestimmungsrecht des Menschen auch das Recht, beim Suizid eine unterstützende Person einschalten zu dürfen. Genau darüber wird eifrig diskutiert. Die Beihilfe zum Suizid ist demnach straffrei, die Umsetzung allerdings ist alles andere als klar.
Bei der Fokussierung der Diskussion auf den assistierten Suizid ist nahezu aus dem Blick geraten, dass es auch andere (legale) Möglichkeiten gibt, auf den Sterbewunsch eines Menschen einzugehen. Dazu gehört zum Beispiel die Beendigung von lebenserhaltenden Maßnahmen wie Beatmung oder künstliche Ernährung. Ob Unterstützung zur aktiven Beendigung des Lebens oder Ablehnung einer Lebensverlängerung: Jede Form der Sterbehilfe muss verschiedenen Dimensionen gerecht werden: rechtlichen, ethischen, praktischen. Sie muss gleichermaßen für alle – für die sterbewilligen Menschen, ihre Angehörigen, Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte, Institutionen wie Heime oder Hospize – akzeptabel und praktikabel sein.
Zum Themenabend „Selbstbestimmt sterben? Sterbehilfe aus der Sicht einer Juristin und eines Palliativarztes“ lädt der Hospizverein Wolfenbüttel am Dienstag, 8. Oktober um 18 Uhr in die Lindenhalle (Halberstädter Straße) ein. Was sagt der Gesetzgeber zu diesem Themenkreis? Was ist in Planung? Wie gehen andere Länder mit Sterbewünschen um? Zu diesen Fragen informiert Rechtsanwältin Ingrid Alsleben (Gifhorn). Im zweiten Teil des Abends schildert ein Praktiker, der Palliativarzt Dr. Johannes Reisch (Gifhorn), wie ihm das Thema in der häuslichen Versorgung und auch im Hospiz begegnet. Theorie und Praxis passen bisher bei weitem nicht zusammen.
Ulrike Jürgens