Serviert von Dieter R. Doden
Liebe Leserinnen und Leser,
man mag es gar nicht recht glauben, es ist schon wieder September. 2022 geht ins Land, wo ist nur der Sommer geblieben? Ich habe den Eindruck, die Jahre werden immer kürzer. Liegt es daran, dass man älter wird? Oder weil das Leben um uns herum immer schneller zu werden droht? Da ist Gegensteuern angesagt. Mit einem guten Buch kann man übrigens wunderbar die Zeit stoppen. Wenn schon nicht anhalten, so doch ein wenig verlangsamen. Probieren Sie es einmal aus. Gerade die nun vor uns liegenden Herbstabende laden dazu ein.
Vielleicht ist das neue Buch von Isabel Allende der richtige Stoff dafür? „Violeta“ ist gerade erschienen und schnellt in den Bestseller-Listen nach oben. Es mag auch am hohen Bekanntheitsgrad der Autorin liegen. Sie ist immerhin eine der bekanntesten und beliebtesten Schriftstellerinnen weltweit. Allendes Werke wurden millionenfach verkauft und werden in über 40 Sprachen übersetzt. Nun geht es also um eine gewisse Violeta del Valle. Sie wird 1920 in Südamerika geboren, in eine Welt zwischen Nachwehen des Krieges und Verwüstungen durch die Spanische Grippe. „Violeta“ ist die Geschichte einer Frau, die eigensinnig, voller Humor und Leidenschaft ist, die alle Wirren ihrer Zeit ganz persönlich erlebt und erleidet. Im Buch berichtet die Romanheldin von sich selbst und nimmt uns so mit auf ihren Lebensweg. Der Weg ist 400 Seiten lang und damit für meinen Geschmack etwas zu lang geraten. Isabel Allende – die übrigens gerade 80 Jahre alt wurde – schmückt ihre Story über die 100jährige Violeta ein wenig zu sehr aus. Die Idee, Violeta in einem Brief an ihren Enkel ihre wechselvolle Geschichte berichten zu lassen, ist dennoch ideal. Also von mir vier von fünf möglichen Sternen.
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Titel: Violeta
Autorin: Isabel Allende
Genre: Roman
Verlag: Suhrkamp, gebundene Ausgabe
Preis: 26 Euro
Kommen wir zu einer weiteren Buch-Neuerscheinung. Cay Rademacher, freier Journalist und Autor, schreibt sehr erfolgreich Krimis, die in der Provence spielen. Sein neues Werk „Die Passage nach Maskat“ führt die Leserschaft zurück in das Jahr 1929, in den letzten Sommer der sogenannten Goldenen Zwanziger. Um die aufziehende Weltwirtschaftskrise zu erahnen, muss man ein sehr feines Gespür haben. Luxus, angereichert mit Lust und Liebe, bestimmen das Geschehen auf dem Luxusliner, der auf einer Reise von Marseille in den Orient ist. Mit an Bord ist Theodor Jung, Kriegsveteran und Fotoreporter. Er soll eine Reportage über diese Seereise machen. Seine Frau Dora begleitet ihn. Seltsam nur, dass alle Passagiere und selbst die Besatzungsmitglieder stock und steif behaupten, Dora nie an Bord gesehen zu haben. – Eigentlich ein Stoff, aus dem Bestseller gestrickt sind. Von mir gibt es drei Sterne.
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Titel: Die Passage nach Maskat
Autor: Cay Rademacher
Genre: Krimi
Verlag: DuMont, gebundene Ausgabe
Preis: 22 Euro
Das dritte Buch, das ich Ihnen zur Kurzweil vorschlage, ist wieder ein Klassiker. Veröffentlicht wurde das Werk im Jahre 1931 und verfasst von Kurt Tucholsky. Der Journalist und Schriftsteller lebte von 1890 bis 1935 und schrieb unter anderem auch unter diversen Pseudonymen. So machte sich Tucholsky auch als Peter Panter, Theobald Tiger, Kaspar Hauser und Ignaz Wrobel einen Namen. Er gilt als einer der bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik und als Mahner vor dem Nationalsozialismus. Eines seiner bekanntesten Werke ist jedoch eine Liebesgeschichte: „Schloss Gripsholm“. Mal heiter, dann melancholisch, berichtet der Autor von einem Sommerurlaub, den der Erzähler mit seiner Freundin in Schweden verbringt. Die beiden verbringen drei Wochen auf Schloss Gripsholm, wo sie mehrfach Besuch bekommen. Davon handeln die Episoden dieses Romans. Sogar ein erotisches Erlebnis zu dritt wird lustvoll beschrieben, für die damalige Zeit ein mutiges Unterfangen. Aber es kommt auch zu Szenen, die eher nachdenklich stimmen. Dann etwa, als die Urlauber beschließen, ein Kind zu retten, das in einem nahen Kinderheim unter geradezu sadistischen Qualen zu leiden hat. Ein Buch also, das viele Facetten des Lebens sprachgewaltig ausmalt und eigentlich mit der Bezeichnung Liebesroman nur unzureichend gekennzeichnet ist. Ein Roman, der einen Hauch von Sommer zurückholt und auch den Herbst erahnen lässt. Volle fünf Sterne von mir.
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Titel: Schloss Gripsholm
Autor: Kurt Tucholsky
Genre: Roman
Verlag: z.B. Rowohlt, Taschenbuch