Serviert von Dieter R. Doden
Liebe Leserinnen und Leser,
Hauptbestandteile des Cocktails, den ich Ihnen im Oktober serviere, sind außergewöhnliche Menschen. Einerseits haben sie interessante Bücher geschrieben, andererseits handeln die Geschichten in diesen Werken von Menschen, die nicht alltäglich sind. Lassen Sie sich also überraschen.
Beginnen wollen wir wie immer mit einem Bestseller. In den entsprechenden Listen ist derzeit Bonnie Garmus eine große Überraschung. Im April 2022 erschien die deutsche Ausgabe ihres Buches „Eine Frage der Chemie“. Für die Autorin, 1957 in Kalifornien geboren, ist es das Erstlingswerk. Schreiben tut sie allerdings schon länger. Als Redakteurin und Texterin arbeitete sie in Seattle, Zürich und London. In England schrieb sie sogar bereits zwei Romane, die allerdings nicht veröffentlicht wurden. Nun also „Eine Frage der Chemie“. Ein Titel, der mich erst einmal nicht vom Stuhl geworfen hat. Aber der Erfolg spricht für sich. Worum geht es? Die Hauptperson Elizabeth Zott lebt in den 1950er Jahren in Kalifornien und versucht, in der chemischen Forschung Fuß zu fassen. Das gelingt nur sehr bedingt. Aber sie lernt Calvin Evans kennen, der ebenfalls Chemiker ist. Beide sind im selben Forschungsinstitut tätig. Heiraten kommt jedoch für Elizabeth nicht in Frage, sie will unabhängig bleiben. Dennoch schlägt das Schicksal zu. Calvin verunglückt und Elizabeth ist von ihm schwanger. Im Institut entwickelt sich ein böses Intrigenspiel, die werdende Mutter verliert Ihren Job. Zum Glück wird sie vom Fernsehen entdeckt und wird in der Serie „Essen um sechs“ zum Fernsehstar. Letztendlich ist das Buch ein Plädoyer für Rationalismus und vor allem für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Somit also hochaktuell. Oder anders ausgedrückt: Elizabeth Zott ist eine starke, außergewöhnliche Frau, die sich durchzusetzen versteht. Auch für Männer durchaus lesenswert. Von mir daher vier von fünf möglichen Sternen.
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Titel: Eine Frage der Chemie
Autorin: Bonnie Garmus
Genre: Roman
Verlag: Piper, gebundene Ausgabe
Preis: 22 Euro
Philipp Sterzer ist ein überaus interessanter Mensch. 1970 geboren, studierte er in München und Harvard. Er arbeitete als Professor für Psychiatrie und Neurowissenschaften an der Charité in Berlin und der Universität in Basel. Seine Erkenntnisse über Wahrnehmungsprozesse bei Schizophrenen brachte Sterzer Anerkennung von Fachleuten in aller Welt. Von ihm erschien Anfang September das Buch „Die Illusion der Vernunft“ mit der Unterzeile „Warum wir von unseren Überzeugungen nicht zu überzeugt sein sollten“. Der Autor informiert allgemeinverständlich über Neuigkeiten aus der Hirnforschung und Psychologie. Er deckt auf, dass unsere scheinbar so normalen Überzeugungen meist viel weniger rational sind, als wir denken. Wir alle leiden an Rationalitätsillusion. Das Gehirn gaukelt uns Welten vor, die nur scheinbar richtig und vernünftig sind. Ist das nicht irgendwie zum verrückt werden? Sterzer sagt: Ja, ist es! Trotzdem, es ist ein – um im Thema zu bleiben – irres Aufklärungsbuch. Von mir volle fünf Sterne.
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Titel: Die Illusion der Vernunft
Autor: Philipp Sterzer
Genre: Sachbuch
Verlag: Ullstein, Hardcover
Preis: 23,99 Euro
Nun folgt noch unser Klassiker. Da soll wieder einmal von einem Romancier aus Frankreich die Rede sein. Gustave Flaubert lebte von 1821 bis 1880 und schrieb bereits in jungen Jahren und im Stile der Romantik. 1857 kam sein erster Roman auf den Markt und wurde ein Skandal. „Madame Bovary“ trug ihm einen Prozess wegen Verstoßes gegen die guten Sitten ein. Flaubert wurde freigesprochen und das Buch ein Verkaufsschlager. Heute würde man sagen, es war eine gekonnte Marketingstrategie. Wegen der damals ganz neuen Art der realitätsnahen Erzählweise gehört dieses Werk auch heute noch zur Weltliteratur, auch, wenn in unserer Zeit kaum noch jemand sittlichen Anstoß am Inhalt nehmen wird. Auch würde man heutzutage der Romanheldin Emma wohl kaum noch ihren Ehebruch nachhaltig vorwerfen. Aber just um einen solchen geht es bei „Madame Bovary“. Das muss wohl schon tatsächlich ein außergewöhnliches Frauenzimmer gewesen sein. Würde Gustave Flaubert heute leben und 2022 dieses Buch veröffentlicht haben, würde man ihm auch kaum Verherrlichung des Ehebruchs vorwerfen. Damals war das so. Worin ein gewisser Reiz liegt, sich das Werk genauer anzusehen. Es gibt dieses Buch durchaus nicht nur unter dem Ladentisch zu erstehen, sondern ganz frei und offen zu kaufen. Und, es ist schließlich Weltliteratur, ich füge diesem Sittengemälde schamlos vier Sterne hinzu.
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Titel: Madame Bovary
Autor: Gustave Flaubert
Genre: Roman
Verlag und Preis: diverse
So, liebe Leserinnen und Leser. Nun haben Sie wieder die Wahl zwischen der Erfolgsautorin Bonnie Garmus und Elizabeth Zott, dem Braunschweiger Till Jürgen Hodemacher und seinem Halunken Sömmering sowie dem Romantiker Gustave Flaubert und seiner ehebrechenden Madame Bovary. Ich wünsche Ihnen viel Lesevergnügen und bitte behalten Sie Appetit auf den nächsten Cocktail interessanter Bücher.