Serviert von Dieter R. Doden
Liebe Leserinnen und Leser,
die Zeit ist bekanntlich ein flüchtiges Gut. Wir haben schon wieder den August erreicht, fast steht schon wieder der Herbst vor der Tür. Es ist nicht zu fassen. Oder besser: Sie – die Zeit – ist nicht zu fassen. Oder doch? Die Zeit lässt sich zumindest gefühlt ein wenig entschleunigen, indem man ein gutes Buch zur Hand nimmt und liest. Die Gedanken gehen auf Reisen, das Hier und Jetzt bekommt eine untergeordnete Bedeutung.
So kann es Ihnen zum Beispiel ergehen, wenn Sie das neue Buch von Heinz Strunk lesen. „Ein Sommer in Niendorf“ ist ein typischer Strunk. Wenn Sie aus dem Titel schließen, hier ein sommerliches Kuschelwerk zu konsumieren, liegen Sie falsch. Der kleine Ort Niendorf, eigentlich idyllisch an der Ostsee gelegen, ist nämlich eher Hölle als Himmel. Dorthin verschlägt es den Juristen und Schriftsteller Roth. Er will im malerischen Dorf ein Buch schreiben. Eine Abrechnung mit seiner Familie soll es werden. Schnell findet er sich im kleinbürgerlichen Spießermilieu wieder, gerät in die Fänge beinahe dämonischer Banalitäten. Roth verändert sich, wird ein ganz anderer. Und unser Autor Strunk? Hat der sich auch verändert? Eigentlich nicht. Der Erfolgsautor bleibt sich selber treu. Allerdings: Er hat schon bessere Romane geschrieben. Dennoch, „Ein Sommer in Niendorf“ ist Lesestoff, der in die Jahreszeit passt. Noch ist Sommer, aber man ahnt schon die Veränderung. Von mir gibt es dafür vier von fünf möglichen Sternen.
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Titel: Ein Sommer in Niendorf
Autor: Heinz Strunk
Genre: Roman
Verlag: Rowohlt, gebundene Ausgabe
Preis: 22 Euro
Bleiben wir noch ein wenig in dieser für den Spätsommer typischen Stimmung. Cay Rademacher, freier Journalist und Autor, schreibt sehr erfolgreich Krimis, die in der Provence spielen. Sein neues Werk „Die Passage nach Maskat“ führt die Leserschaft zurück in das Jahr 1929, in den letzten Sommer der sogenannten Goldenen Zwanziger. Um die aufziehende Weltwirtschaftskrise zu erahnen, muss man ein sehr feines Gespür haben. Luxus, angereichert mit Lust und Liebe, bestimmen das Geschehen auf dem Luxusliner, der auf einer Reise von Marseille in den Orient ist. Mit an Bord ist Theodor Jung, Kriegsveteran und Fotoreporter. Er soll eine Reportage über diese Seereise machen. Seine Frau Dora begleitet ihn. Seltsam nur, dass alle Passagiere und selbst die Besatzungsmitglieder stock und steif behaupten, Dora nie an Bord gesehen zu haben. – Eigentlich ein Stoff, aus dem Bestseller gestrickt sind. Der Roman erscheint erst am 16. August. Viel Erfolg! Von mir gibt es drei Sterne als Vorschusslorbeeren.
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Titel: Die Passage nach Maskat
Autor: Cay Rademacher
Genre: Krimi
Verlag: DuMont, gebundene Ausgabe
Preis: 22 Euro
Kommen wir zum heutigen Klassiker. Da bietet sich eine Gedankenreise nach Lübeck an. Dort erblickte anno 1875 Thomas Mann das licht der Welt. Er wurde einer der bedeutendsten Erzähler des 20. Jahrhunderts. 1929, just in dem Jahr, in dem der eben erwähnte Krimi spielt, wurde Mann mit dem Nobelpreis für Literatur geehrt. Die einzigartige Karriere von Thomas Mann begann mit einem Werk, das ohne Zweifel eine Spitzenposition in der Weltliteratur einnimmt: „Buddenbrooks“. Erzählt wird in diesem Gesellschaftsroman die wechselvolle Geschichte einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie, deren Rolle und Selbstverständnis im Großbürgertum der Zeit von 1835 bis 1877. Facettenreich schildert Mann den sich über Generationen hinziehenden Niedergang der Familie Buddenbrook und immer wieder klingt Manns eigene Familiengeschichte an. Zahlreiche reale Persönlichkeiten aus dem Lübeck werden im Roman erkennbar und der Autor selbst wird als Hanno Buddenbrook Teil der Handlung. Ein Buch, das man alle paar Jahre, nicht nur im Spätsommer, wieder lesen kann. Große Erzählkunst und – wie gesagt – ein hervorragendes Stück Weltliteratur. Volle Sternenzahl!
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Titel: Buddenbrooks
Autor: Thomas Mann
Genre: Roman
Verlag: Fischer, Taschenbuch
Preis: 16 Euro
Womit wir wieder einmal drei lesenswerte Bücher aufgeschlagen haben. Ich wünsche Ihnen beim Lesen dieser oder anderer Werke, dass sie mit Muße die Zeit ein wenig anhalten oder wenigstens aufhalten können. Und ich hoffe, Sie behalten Appetit auf den nächsten Cocktail interessanter Bücher in Ihrer LesBAR.
Herzlichst Ihr Dieter R. Doden