Von Dieter R. Doden

In Vechelde-Wahle wurde anno 1799 ein schmuckes Fachwerkhaus erbaut. Und im Laufe der Jahrzehnte mannigfach umgebaut. So gibt es viele verschiedene Fenstervariationen zu bestaunen, eine Fassade, an der das Fachwerk nur auf den blanken Stein gemalt ist, und einen Garagenanbau, für den man sicher 1799 noch keine Verwendung gefunden hätte. Egal. Es ist ein denkmalgeschütztes Objekt und demzufolge kann die Besitzerin Miriam Kast  damit nicht einfach machen, was sie will. Auflagen des Denkmalschutzes müssen beachtet werden. Sie kaufte das Bauwerk 2022, nachdem es jahrelang unbewohnt war. So rasch wie möglich wollte sie ans Renovieren gehen, damit das neue Zuhause bald bezugsfertig sei.

Doch was anderswo offenbar mehr oder weniger reibungslos funktioniert, läuft im Landkreis Peine nach Meinung der neuen Hausbesitzerin ganz anders. Dort, im Fachbereich Bauordnung/Raumordnung, zuständig für den Denkmalschutz, ist man ihrer Überzeugung nach besonders pingelig. Deutlich macht sie das am Beispiel von drei angeblich historischen Fenstern, die Frau Kast durch neue ersetzen möchte, von Amtswegen aber renoviert werden sollen. Die Fenster sind hochgradig marode, wie Fensterbauer bestätigt haben. Sie denkmalschutzgerecht herzurichten würde rund 15.000 Euro kosten. Was auch laut Niedersächsischem Denkmalschutzgesetz unzumutbar ist, weil die Wirtschaftlichkeit einer Renovierung nicht gegeben ist.

Weitere Arbeiten am Haus wie etwa Wanddämmungen oder der Einbau einer Wandheizung, können erst sinnvoll erfolgen, wenn die Fenster eingebaut sind. Bis dahin gammelt die Bausubstanz weiter vor sich hin, die bestehenden Fenster sind fast alle undicht, die Außenwände nass, Schimmel breitet sich aus. Das Gebäude ist ohne Heizung, ohne jede Dämmung, wegen der undichten Fenster energetisch völlig unzureichend und eigentlich noch unbewohnbar. Dennoch zog die neue Besitzerin Ende August 2022 dort mit ihrem Kind ein, nicht zuletzt, um Mietkosten für die bisherige Bleibe einzusparen. Denn die Material- und Handwerkerkosten steigen bekanntlich von Monat zu Monat.

Das alles veranlasste die Rundschau-Redaktion, einmal intensiver zu recherchieren und sowohl beim Landkreis als auch bei Frau Kast konkreter nachzufragen. Von Fabian Laaß, dem Pressesprecher des Landkreises, bekamen wir eine vierseitige Antwort, aus der wir hier in Auszügen zitieren. Gleich dahinter ist die Stellungnahme von Frau Kast zu lesen. Es zeigt auf, wie mühsam es sein kann, ein Haus zu renovieren – insbesondere, wenn es sich um ein Denkmal handelt.

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Pressesprecher Fabian Laaß: Bereits vor Erwerb des […] Objektes wurde Frau Kast eingehend und mehrere Male intensiv durch die Denkmalschutzbehörde zu allen Erforderlichkeiten, möglichen Problemstellungen etc. beraten. […] Gleich zu Beginn wurde Frau Kast mitgeteilt, dass es sich um ein Einzeldenkmal handelt und sie mit gesetzlichen Auflagen bei der Umgestaltung rechnen muss. Die Sanierung eines Einzeldenkmals ist gesetzlich an strenge Voraussetzungen gebunden und unterliegt der Genehmigungspflicht nach dem Nds. Denkmalschutzgesetz.

Hausbesitzerin Miriam Kast: Ich war zwei Mal beim Denkmalamt und musste unter Zeitdruck […] meine Fragen platzieren. Die Zeit war für mich nicht ausreichend, ich hätte gern mehr Zeit gehabt und man bekommt auch in der Regel nicht sehr kurzfristig einen Termin.

Laaß: Es ist für das Genehmigungsverfahren unerheblich, ob es sich um nicht historische Originale oder Bauteile handelt, die seinerzeit eventuell auch unrechtmäßig verbaut wurden. Dazu zählen auch Veränderungen im Inneren des Objektes wie das Erneuern von Bodenbelägen oder Türen.

Kast: Das war mir bekannt, dass ich auch Bodenbeläge, Wandausstattungen etc. beantragen muss, was ich auch getan habe.

Laaß: Frau Kast wurde […] über die Art der Ausgestaltung der einzureichenden Unterlagen unterrichtet.

Kast: Es hieß, dass ich ein Formular ausfüllen muss und dazu Anlagen liefere. Idealerweise erstellte ich ein sog. Raumbuch, wo raumweise die Veränderungen aufgeführt sind. Dies habe ich für alle Innenarbeiten wie Türenaustausch, Wand-/Fußbodenbelege etc. getan, die großen Maßnahmen wie „Lagerbalken“, „Fenster“ und „Heizung/Dämmung“ liefen extra, weil diese Anträge recht umfangreich waren.

Laaß: Frau Kast hat sich während der Beratungsgespräche dazu viele Notizen gemacht. Ein Entwurfsverfasser wurde durch die Bauherrin lediglich für einen späteren Antrag für die Fenster beauftragt.

Kast: Mit Entwurfsverfasser ist unser Fenster-Denkmal-Fachmann […] gemeint, den wir beauftragt hatten – nachdem der erste Antrag „Fenster“ dem Denkmalamt zu wenig detailliert war (dass es SO umfangreich werden sollte, das ging definitiv nicht aus den Gesprächen hervor) und wir auch zunächst nur den Fensteraustausch unten beantragt hatten.

Laaß: Die Denkmalschutzbehörde […] bietet mittlerweile regelmäßige, feste Zeitfenster an, in denen sie ausschließlich nur Beratungstermine vornimmt.[…]

Kast: Das ist mir nicht bekannt.

Laaß: Frau Kast stellte zeitnah mehrere denkmalrechtliche Anträge – den ersten bereits gegen Jahresende 2021. Antragseingang war in diesem Fall am 21.12.2021. Bei diesem Vorgang wurden bereits am 23.12.2021 fehlende Unterlagen festgestellt und unverzüglich angefordert. Die Nachforderungen gingen am 11.01.2022 bei der Denkmalschutzbehörde ein. Der erste Antrag konnte am 31.01.2022 genehmigt werden. Zusammenfassend hat der Landkreis Peine ab Vollständigkeit der Unterlagen […]  zumeist innerhalb von 2 Wochen genehmigt.

Kast: Hier ging es um einen sog. „Mini-Antrag“, die – wie es mir auch im Vorgespräch zugesagt wurde – relativ schnell genehmigt werden. Es ging darum, dass wir einen Termin mit einem Energieberater im Haus hatten, der in einem Raum ein Stück Tapete abreißen und in einem anderen Raum ein Holzpaneel von der Wand nehmen wollte, um zu schauen, was dahinter ist. […] Es ging hier aber nicht um eine „normale“ Maßnahme. Der Chronologie kann man entnehmen, wann ich was beantragt habe und wann das final […] genehmigt wurde.

Laaß: Das Gebäude war nach Wissen der Behörde vor dem Kauf durch Frau Kast zumindest bis 2015 bewohnt und Fenster sowie eine Heizungsanlage waren verbaut. Weiter liegt seit Oktober 2022 eine denkmalrechtliche Genehmigung zum Einbau einer neuen Heizungsanlage vor.

Kast: Nach Aussage des Vorbesitzers stand das Haus 3 Jahre vor Kauf leer. Es gab KEINE Heizungsanlage. In 2 Räumen standen Einzelölöfen, die aber […] schon damals lange nicht mehr benutzt worden sind. Einer der beiden Öfen war auch defekt. 3 abgebaute Ölöfen standen in der Garage. Die Vorbesitzerin heizte mit Ölradiatoren.

Laaß: Bereits in den ersten Gesprächen hat die Denkmalschutzbehörde umfassend zu allen Erforderlichkeiten und Vorgaben, auch im Hinblick auf die Fenster, beraten. Weiter wurde Frau Kast schon vor Kauf des Objektes darüber informiert, wie sie mit den einzelnen Fenstern umzugehen hat und welche Möglichkeiten für sie bestehen.

Kast: Mir wurde erklärt, dass die Fenster – so wie sie sind – Bestandsschutz haben, wir dürften die Rahmen abschleifen und sie streichen. Sobald wir aber das Fenster ausbauen, MUSS ein genehmigtes Fenster eingebaut werden. Ich bekam die Info, dass die Fenster von der Optik her so wie die „drei vermeintlich historischen“ aussehen sollen, mit schmalem Profil usw. […] Das Antragsverfahren wurde für mein Dafürhalten nicht so kompliziert dargestellt, wie es sich dann im Laufe der Zeit herauskristallisierte. Das ist ja der Punkt, dass hier immer wieder Nachforderungen gestellt wurden, die die Prozesse behindert haben und die Kosten steigen unaufhörlich weiter.

Laaß: Der Antrag zu den Fenstern wurde Anfang Februar 2022 eingereicht und war über Monate hinweg unvollständig. […] Im Zuge des Verfahrens änderte die Bauherrin ihren Antragsumfang. Anstelle der Fenster im Erdgeschoss sollten nunmehr fast alle Fenster in beiden Geschossen getauscht werden. Eine erneute Prüfung dieser Unterlagen im Juli 2022 ergab, dass erneut Unterlagen fehlten oder diese teilweise nicht übereinstimmten. Daher erfolgten zwecks Klärung wiederholt zeitnahe Gespräche mit dem Entwurfsverfasser, der die Bereitstellung neuer Unterlagen zusagte. Im September 2022 erinnerte die Denkmalschutzbehörde schriftlich an die noch nachzureichenden Unterlagen. Erst Anfang Oktober wurden neue Unterlagen nachgereicht. Demzufolge konnte der Antrag seit Antragseinreichung Anfang Februar 2022 bis Oktober 2022 aufgrund von Nachforderung fehlender Unterlagen, weiterer Klärung von Sachverhalten oder Änderungen des Antragsvolumens nicht abschließend bearbeitet werden.Der Vorgang befindet sich derzeit in der Prüfung.

Kast: Man hat mich Stunden damit beschäftigt, sinnlos Sprossen, Fensterscheiben und Scharniere zu messen, hat immer wieder Nachforderungen gestellt, die man nun mal nicht in 2 Tagen nachreichen kann […]. Wenn die Optik passt, dann soll man doch bitte einfach die Fenster (Dreh-Kipp mit Sprossen) genehmigen, man hat doch mittlerweile mitbekommen, dass selbst die einst geplanten zweiflügeligen Fenster hinfällig sind, da durch die steigenden Preise unwirtschaftlich. Das Haus leidet und das Amt reitet auf Paragraphen herum.

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Chronologie einer geplanten Renovierung

(Erstellt von Miriam Kast)

13.01.2022: Antragstellung zum Abreißen kleiner Tapetenstücke / Abnahme einzelner Holzvertäfelungen und Antragstellung für Austausch maroder Lagerbalken / Austausch Mauerklinker im Fensterbereich.

31.01.22022: Genehmigung der Behörde zum Tapetenabriss und Abnahme der Holzvertäfelungen.

04.02.2022: Antragstellung für Austausch diverser Fenster.

09.02.2022: Antragstellung für Trockenbauarbeiten, Austausch Fußböden, Austausch Zimmer- und Haustür etc.

01.03.2022: Weitere Anforderungen seitens der Behörde zum Antrag Lagerbalken / Austausch Mauerklinker gegen Lehmsteine.

15.03.2022: Erfüllte Anforderungen zu Antrag Lagerbalken abgeschickt.

23.03.2022: Da aufgrund von Urlaubszeit die Sachbearbeiterin in der Behörde erst ab dem 11.04.2022 wieder erreichbar ist, um einen Besprechungstermin ab dem 11.04.2022 gebeten.

21.04.2022: Einladung zu einer Besprechung in der Behörde am 03.05.2022.

03.05.2022: Vor Ort-Termin mit Fensterfachmann – Besprechung/Einigung bzgl. Anforderungen für Antrag Fenster seitens der Behörde, da der Antrag vom 04.02.2022 nicht ausreichend war. Genehmigung des Antrages vom 09.02.2022 mit erheblichen Auflagen. U.a. soll ein Tischler die Türen begutachten und mitteilen, ob und welche Türen historisch sind, Innendämmung/Konstruktion soll mit Detailskizzen belegt werden.

13.05.2022: Zusendung Antrag Austausch der Fenster per Post durch Fensterfachmann an Behörde.

02.06.2022: Genehmigung Austausch Lagerbalken per Post – Ablehnung Austausch Mauerklinker gegen Lehmsteine, die Mauerklinker sollen 1:1 wieder eingebaut werden.

08.06.2022: Erneute Antragstellung Fenster per Email – da der Antrag vom 13.05.22 per Post in der Behörde nicht angekommen bzw. dort im Hause verloren gegangen ist.

18.07.2022: Einreichung der von der Behörde gestellten Nachforderung zu Antrag vom 09.02.2022 mit Bewertung vom Tischler bzgl. Zimmertüren = nicht historisch.

Tel. Nachforderung seitens der Behörde – bzgl. Antrag Fenster → diverse Maße, Farbschemen, Detailskizze, Fachwerk-/Mauerwerksanschluss und Fotos der drei „historischen“ Fenster.

24.07.2022: Antragstellung (Wand-)Heizung / Innendämmung per E-Mail.

26.07.2022: Eingangsbestätigung zu Antrag vom 24.07.2022.

27.07.2022: Genehmigung Austausch Zimmertüren.

09.08.2022: Übermittlung aller amtlichen Nachforderungen zum Antrag  Fenster an unseren Fenster-Denkmal-Fachmann zur Weiterleitung an die Behörde.

22.08.2022: Beschwerde per Mail z. B. an den Landrat, Vize-Landrat und Resort-Minister über Sachbearbeiterin Denkmalschutz beim Landkreis Peine.

26.08.2022: Antwort auf Beschwerde durch Pressesprecher des Landkreises, es würde nun intern geprüft werden

08.09.2022: Nachfrage bei Pressestelle, wie viel Zeit die Prüfung benötigen wird.

04.10.2022: Senden einer Datei „Infos 3 historische Fenster“ durch Fensterfachmann an Hausbesitzerin. Kostenvoranschlag Restaurierung 3 Fenster in Höhe von € 9.218,45 (ohne Kosten für 3 Kastenfenster, geschätzt auf € 5.000,00), Erhaltung der Fenster ist unwirtschaftlich und nicht verhältnismäßig. Hinweis: Eine Genehmigung für die anderen Fenster hätte die Behörde schon erteilen können. Erste Antragstellung war bereits am 04.02.2022.

02.11.2022: Schreiben des beauftragten Rechtsanwaltes an das Denkmalamt mit Fristsetzung von 2 Wochen zur Erteilung der Fenstergenehmigung für nun Dreh-/Kippfenster.

21.11.2022: Eingang des Antwortschreibens der Denkmalbehörde, jedoch ohne Genehmigung für die Fenster. Man prüfe…

12.12.2022: Erinnerung seitens unseres Rechtsanwaltes an die Erteilung der Genehmigung „Fenster“.

Seither ist nicht mehr viel passiert. Anfang 2023 teilte Miriam Kast der Rundschau-Redaktion mit, dass sie gemeinsam mit ihrem Rechtsanwalt entscheidet, ob sie Klage gegen das Denkmalamt einlegt. Denn sie sagt: „Es gab früher eine Dreimonatsklausel, die zwar nicht mehr existiert, nach der bei Gericht aber wohl noch immer gehandelt wird. Sie besagt, dass das Amt nach drei Monaten (seit Eingang des Schreibens vom Anwalt) eine Genehmigung erteilen muss.“ Man darf also gespannt sein, wie der Fall weitergeht.

 

 

 

 

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